Über Sucht

 

Definition

 

Die ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) definiert sechs Kriterien, von denen drei oder mehr mindestens einen Monat lang (oder bei kürzerer Dauer: innerhalb eines Jahres wiederholt) gleichzeitig vorhanden sein müssen, um die Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms stellen zu können:

 

  • Starkes Verlangen oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren (Substanzverlangen).
  • Verminderte Kontrollfähigkeit in Bezug auf Menge, Beginn oder Ende des Konsums (d. h. es wird oft mehr Alkohol oder über einen längeren Zeitraum konsumiert als geplant, oder es bestehen der anhaltende Wunsch oder wiederholte Versuche, den Alkoholkonsum zu verringern oder zu kontrollieren).
  • Körperliche Entzugserscheinungen bei Konsumstopp oder Konsumreduktion.
  • Nachweis einer Toleranz (um die gewünschte Wirkung hervorzurufen, sind zunehmend größere Mengen an Alkohol erforderlich, oder es treten bei fortgesetztem Konsum der gleichen Menge deutlich geringere Effekte auf).
  • Einengung auf Alkohol, d. h. Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Alkoholkonsums, oder ein erhöhter Zeitaufwand, die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen.
  • Anhaltender Substanzkonsum trotz eindeutig schädlicher Folgen (wie z. B. Leberschädigung durch exzessives Trinken, depressive Verstimmungen infolge starken Alkoholkonsums oder eine Verschlechterung der kognitiven Funktionen), obwohl der Betroffene sich über die Art und das Ausmaß des Schadens bewusst ist oder bewusst sein könnte.

 

Im Gegensatz zu früheren ICD-Versionen müssen die „klassischen“ Symptome der körperlichen Abhängigkeit, d. h. Toleranz und Entzugserscheinungen nicht mehr unbedingt vorhanden sein, wenn ausreichend andere Symptome zutreffen.

 

Folgekrankheiten

 

Langfristiger Alkoholmissbrauch bedingt oft (teils chronische) Folgekrankheiten, die häfigsten sind:

 

  • Leber
    Das Organ verliert zunächst seine Fähigkeiten, dieses Gift abzubauen. Die Leber vergrößert sich, bis sie zur Fettleber wird. Oft entwickelt sich bei anhaltender Belastung eine Alkohol-Hepatitis und eine Leberzirrhose mit den entsprechenden Folgen. Als Folge der Leberzirrhose können sich Krampfadern in der Speiseröhre bilden.
  • Bauchspeicheldrüse
    Die kann sich akut oder chronisch entzünden (Pankreatitis). Eine akute Pankreatitis kann direkt tödlich sein. Folgen einer chronischen Pankreatitis können eine exkretorische Insuffizienz, bei der das Organ nicht mehr genug Verdauungsenzyme bildet, und/oder auch ein Diabetes mellitus sein.
  • Muskulatur
    Skelettmuskulatur und Herzmuskel werden bei bis zu 30 bis 40 % aller chronischen Alkoholiker geschädigt. Durch die toxischen Wirkungen des Alkohols entsteht eine Rhabdomyolyse, d. h. die Muskelfasern zersetzen sich. Die akute alkoholische Myopathie tritt bei etwa einem Prozent der Kranken auf. Sie zeigt sich u. a. durch Anschwellen, starke Schmerzen und Krämpfe in den betroffenen Muskeln.
  • Stoffwechsel
    Übermäßiger Alkoholkonsum kann Gicht auslösen. Hormonelle Störungen können durch mangelnde Leistungsfähigkeit der Leber im Hormonabbau vielfältige Symptome hervorrufen, insbesondere im Wasser- und Elektrolythaushalt und bei den Sexualhormonen. Das kann zu charakteristischer „Verweiblichung“ der Figur (Brust, Bauch) führen.
  • Herz-Kreislaufsystem
    Alkoholmissbrauch kann zu Bluthochdruck, Herzmuskelerkrankungen und Anämie beitragen. Bei hohem Alkoholkonsum (> 30 g/Tag) nimmt das Gesamtrisiko für eine Koronare Herzerkrankung jedoch zu.
  • Magen-Darm-Trakt
    Chronischer Alkoholkonsum, oft in Verbindung mit Fehlernährung oder Tabakkonsum, schädigt die Schleimhäute in Mund, Rachen, Speiseröhre und Magen. Am häufigsten sind Speiseröhrenentzündungen und Magenschleimhautentzündungen (Gastritis). Krebserkrankungen im Nasenrachenraum und Kehlkopfkrebs sind bei Alkoholkranken häufiger als in der übrigen Bevölkerung. Besonders hochprozentige Getränke begünstigen Speiseröhrenkrebs. Das Risiko von Mundhöhlen- und Zungengrundkrebsen vervielfacht sich bei gleichzeitigem Rauchen und Trinken.
  • Nervensystem
    Duch langfristigen Alkoholmissbrauch entstehen chronische neuropsychologische Schwächen in Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis, Lernfähigkeit, räumlichem Vorstellungsvermögen, Zeitwahrnehmung und Problemlösungsstrategien. Dazu entwickeln sich häufig soziale Störungen wie alkoholischer Eifersuchtswahn und sexuelle Deviation. Eine schwere langfristige Folge am Zentralnervensystem ist das Wernicke-Korsakow-Syndrom.